Ich habe gerade meine ersten
Guidingversuche hinter mich gebracht und habe bei meiner Konfiguration
festgestellt, dass ein einmaliges ausbalancieren der Gegengewichte
nicht ausreichend ist:
Nachfolgend versuchteich, mit meinen
rudimentären Mechanik-Kenntnissen aus grauer Schulzeit ein
paar Berechnungen aufzustellen.
Diese sind natürlich nicht wissenschaftlich und auch sehr
vereinfacht, da ich nur eine Achse behandle und auch nur einen
zweidimmensionalen Ansatz verfolge, aber rein rechnerisch sollte alles
stimmen.
Perfekt austarierter Tubus eines "idealen" Teleskops:
Masseverteilung
eines perfekt austarierten Teleskops (nur RA-Achse)
Wenn die Kombination Tubus und Montierungsachse einen idealen Hebel ergeben, ändern sich die Belastungen in Abhängigkeit des Winkels der RA-Achse nicht.
Realer Tubus mit unterschiedlich schweren seitlichen Anbauten:
Mein Teleskop ist aber nicht
ideal, sondern es zerren rund um den optischen Tubus die
unterschiedlichsten Kräfte in die verschiedensten
Richtungen:
Wie zum Beispiel der Sucher, das Guidingteleskop, die dSLR, der
Fokussiermotor usw. usf...
Guidingsetup (klicken für große Ansicht)
Masseverteilung
und Verschiebung des Schwerpunktes eines realen Teleskops (nur
RA-Achse, vereinfachte Ansicht)
Durch die Schwerpunktverlagerung ergibt sich ein neuer Hebel mit einem Winkel:
Ein Veränderung des Winkels von 1° entspricht auf 30 cm ca. eine Verschiebung des Kraftvektors von 0,5 cm entlang der Z-Achse (30 • sin(1) = 0,523)
Hier wird nur die Verschiebung des
Vektors F2 in Z-Richtung betrachtet
Bei einem "nicht idealen Hebel", d.h. bei einem Hebel mit einem Winkel
und einem "verstimmten" Gegengewicht ändert sich die Belastung in
Abhängigkeit des Winkels an der RA-Achse!
Änderung des Drehmomentes in
Abhängigkeit des RA-Winkels bei gleicher Masse des Gegengewichtes.
Fazit
Da meine Tubus/Montierungskombination nicht einem idealen Hebel
entspricht, muß ich bei jedem Guidingversuch die Achsen immer mit
dem Tubus auf das zu fotografierende Objekt individuell
ausrichten. Ansonsten kommt es zu einer massiven Lastveränderung
im Laufe einer Langzeitbelichtung.
Diese kann zu einem kompletten Gleichgewicht und somit zu
Pendelbewegungen des Tubus innerhalb des Zahnflankenspiels führen,
aber auch zu einer zu starken Balastung des Motors und somit zu einer
Verschlechterung des periodischen Fehlers des Systems.
Kurzgesagt: Ein kleines Teleskop ohne große außerachsialer Aufbauten kann durchaus einmal austariert werden, ein großes Gerät mit vielen Aufbauten sollte für jede Belichtung neu ausbalanciert werden.
Dies kann man auch im Selbstversuch prüfen: Wenn man das Teleskop bei wagerechtem Tubus in beide Achsen ausbalanciert und danach den Tubus mit offener RA-Rutschkupplung an den Gegengewichten langsam in Richtung RA-Bewegung bewegt, kann man feststellen, dass sich die Krafteinwirkung auf die Hand verändert. Ursache ist die Verschiebung des Schwerpunktes weg von den Achsen aufgrund der außerachsialen Aufbauten!
Frohnleiten, am 24. August 2007
© 2007 Armin P. Pressler