Eine wunderbare Reise mit dem Motorrad ins antike Griechenland!
Referat, HTL Die Gesichter Spartas Den heurigen Sommerurlaub verbrachte ich in Kardamili am Peloponnes. Aus diesem Grund beschäftigte ich mich mit Kultur und Geschichte Griechenlands, besonders mit der Geschichte Spartas, da im Reiseführer stand, daß mein Urlaubsort Kardamili unter dem Namen "Kardamyle" ein spartanischer Hafen gewesen war. |
Besonders interessant fand ich einen Artikel von Ernest Borneman im
Merian-Heft "Peloponnes", in dem er ein neues Bild von Sparta zeichnete.
Wie sieht das gängige Sparta-Bild aus ?
Etwa im 8. Jhd vor Christus eroberten die Dorer den Peloponnes und
gründeten 5 Siedlungen am Ufer des Flusses Eurotas. Sie schlossen
sich zu einem Staat zusammen, und Lykurg gab ihnen eine Verfassung. An
der Spitze des Staates standen 2 auf Lebenszeit gewählte
Könige. Außerdem gab es in Friedenszeiten den Rat der Alten,
die Gerousia, der aus 28 Mitgliedern bestand und über Krieg und
Frieden entscheiden konnte. Weiters gab es noch die Ratsversammlung und
später die 5 Ephoren, die die beiden Könige kontrollierten.
Deren Aufgabe war die Führung des Heeres und die
Außenpolitik. Die spartanische Gesellschaft bestand aus 3 Klassen:
1. Die Spartiaten
Sie waren die Herrscher. Jeder Spartiate besaß ein Landgut mit
Sklaven. Ihr Leben war dem Militär gewidmet, und sie wurden einer
äußerst harten Erziehung unterzogen, weil sie
zahlenmäßig den unterworfenen Bevölkerungsteilen weit
unterlegen waren. Ab dem 7. Lebensjahr kam der junge Spartiate in die
Obhut des Militärs, wo er eine harte Ausbildung erhielt. Mit 20
trat er in die Armee ein, mit 30 war er Vollbürger und Soldat bis
zum 60. Lebensjahr.
2. Die Periöken
Auch "Umwohner" genannt, waren sie meist Händler und Handwerker
und freie Bürger, die in den Dörfern rund um Sparta wohnten,
aber keine Bürgerrechte hatten (z.B. kein Mitspracherecht in der
Ratsversammlung).
3. Die Heloten
Das war die von den Dorern unterworfene Urbevölkerung. Sie waren
vollkommen rechtlos und mußten als Sklaven unter schlimmsten
Bedingungen auf den Gütern der Spartiaten arbeiten und konnten
manchmal sogar bei rituellen Kraftproben der jungen Spartiaten
getötet werden.
Die Heloten waren den Spartiaten zahlenmäßig weit
überlegen.
Mit diesem Staatsaufbau gelang es Sparta, im Laufe der Zeit fast den
gesamten Peloponnes unter seine Herrschaft zu bringen. Der sogenannte
Peloponnesische Bund sicherte seine Vorherrschaft. Sparta war
wesentlich an der Abwehr der Perser beteiligt, doch die einheitliche
Front zwischen Athen und Sparta hielt nicht lange. Der darauf folgende
jahrzehntelange Peloponnesische Krieg endete mit einer Niederlage
Athens. Doch Sparta konnte die Vorherrschaft in Griechenland nicht
lange behaupten und verlor 10 Jahre später den Krieg gegen Athen
und Theben. Die Heloten bekamen ihre Freiheit, Sparta verlor seinen
wichtigsten wirtschaftlichen Besitz und alle Versuche, die alte Macht
wieder herzustellen, scheiterten. Sparta endete als römische
Provinz.
[Zusammenfassung aus meinem Reiseführer]
Spartanisch und lakonisch
spartanisch = streng, hart, genügsam, anspruchslos, einfach
lakonisch (nach: Lakonien, Landschaft rund um Sparta) = kurz im
Ausdruck, wortkarg, nach der schon im Altertum sprichwörtlich
kurzen Redeweise der Spartaner
[Lexikon]
Beide Ausdrücke hatten im 18. und 19. Jahrhundert eine sehr
positive Bedeutung, zuerst für das Bürgertum und dann
für den Militarismus in Deutschland zur Zeit des Wilhelminischen
Kaiserreichs.
[Reiseführer]
Die heutige Wortbedeutung empfinde ich als eher neutral. Das Bild von
Sparta in den meisten Lehrbüchern ist aber eher negativ.
Das Sparta-Bild aus den Lehrbüchern
"Ein Spartaner erzählt: Schon bei der Geburt eines Kindes wird bei
uns in Sparta ein gnadenloses Urteil gefällt. Das Neugeborene wird
den Ältesten nackt gezeigt. Erscheint es ihnen zu schwach oder
stellen sie einen körperlichen Mangel fest, wird es abgelehnt. Ein
solches Kind wird in eine Schlucht am Rande des Taygetos-Gebirges
geworfen. Die meisten meiner Landsleute sind nämlich der Meinung,
daß Kinder, die nicht fähig sind, gesund und kräftig
heranzuwachsen, keine Lebensberechtigung haben. (...) Die Erziehung ist
darauf ausgerichtet, daß die jungen Spartaner aufs Wort gehorchen
und Strapazen ertragen können. Ich kann mich noch gut daran
erinnern, wie ich damals als Jüngling ganz kahl geschoren wurde
und immer barfuß gehen mußte. Nachts schliefen wir auf
Schilf, weil das bei Kriegszügen auch so ist. Ein besonderer
Härtetest ist eine Art von Mutprobe im Tempel der Göttin
Artemis. Die jungen Spartaner werden dabei blutig gepeitscht, und es
ist kein Schmerzensschrei erlaubt. Leider gibt es dabei fast jedesmal
Tote. Nach dem Ende des Waffentrainings müssen die jungen Krieger
noch ein Überlebenstraining auf dem Land absolvieren. Sie rauben
die Nahrung von den Feldern und gehen auf Jagd nach Heloten. Jeder soll
mindestens einen Heloten töten."
[Meilensteine der Geschichte 2, Seite 53]
"Der Krieg war die Hauptbeschäftigung der Spartiaten: Disziplin,
Einfachheit und Freude an den Waffen bildeten die Grundlage der
Lebensform. (...) Die Genügsamkeit der Bevölkerung wurde
sprichwörtlich. Die Spartaner verzichteten auf die Einfuhr fremder
Waren und begnügten sich mit der Produktion der eigenen einfachen
Güter. Damit sparten sie Geld, das sie für die vielen Kriege
gegen ihre Nachbarn brauchten. (...) So wurde der Staat zu einer
ängstlich bewachten Festung."
[Meilensteine der Geschichte 2, Seite 53]
"...Ihre Könige regierten streng und hielten die Bewohner in
drückender Abhängigkeit. (...) Der einzelne konnte sein Leben
nicht bestimmen, der Staat bestimmte über ihn und sein Eigentum.
(...) Sie [Die Knaben] wurden in Gruppengemeinschaften streng und
grausam erzogen. Oberstes Ziel war unbedingter Gehorsam. (...) Kein
Wunder, daß in diesem ungastlichen Land die schönen
Künste keine Heimat fanden und daß alles, was sich an
griechischem Wissen, griechischer Bildung und griechischer Kunst
erhalten hat, mit dem Namen des schönen und lebensfrohen Athen
verbunden ist."
[Zeiten Völker Kulturen 1, Seite 54]
"Die kleine Minderheit der Spartiaten hatte also genug damit zu tun,
sich an der Macht zu halten; ihre einzige Beschäftigung waren
Wehrdienst und Politik. (...) Familienleben und höhere Kultur
konnten sich nicht entfalten."
[Geschichte Sozialkunde Politische Bildung 6. Schulstufe, Seite 55 ]
"Der Glanz Athens erregte bald den Neid der Spartaner. Der
Geschichtsschreiber Thukydides berichtet über die Ursachen des
folgenden Krieges zwischen beiden Staaten: Je höher die Macht
Athens stieg, desto schärfer wurde der Gegensatz zu Sparta.
Für den eigentlichen Grund des Krieges aber, sowenig auch von ihm
gesprochen wurde, halte ich dies, daß die Athener zu mächtig
geworden waren, dadurch den Spartanern Angst einflößten und
sie so in den Krieg trieben. "
[Wie? Woher? Warum? 2. Klasse, Seite 58]
Bezeichnend für obige Bücher ist die Tatsache, daß sie
keine positiven Seiten der Spartaner zu berichten wissen.
Vor allem beim ersten Zitat wird dem jugendlichen Leser ein sehr
grausames und abschreckendes Bild der Spartaner auf sehr subtile Weise
vermittelt. ("Ein Spartaner erzählt...")
Auch "vergessen" alle Bücher darauf hinzuweisen, daß alle
verwendeten griechischen Geschichtsschreiber (Thukydides, Herodot,
Plutarch) Athener waren!
Das Buch "Hellas" von Nack/Wägner bemüht sich um eine
sachliche Schilderung Spartas, die Autoren können sich aber eine
"nette" Schlußbemerkung nicht verkneifen.
"Die Entwicklung zu höheren Lebensformen sollte dem jonischem
Stamm vorbehalten sein, das helle Licht ewiger Kunst strahlte aus
Athen."
[Seite 104]
Einige Bücher schildern Sparta kurz und sachlich
"Die spartanische Jugend wurde zu Ausdauer und Genügsamkeit
erzogen. Bis zu seinem 30. Lebensjahr diente ein Spartiate im Heer.
Dann erhielt er ein Landlos und Heloten zugewiesen und durfte eine
Familie gründen. Aber er nahm weiter an gemeinsamen Mahlzeiten der
Krieger teil und mußte stets bereit sein, in den Krieg zu ziehen.
Diese Ordnung machte Sparta zu einem gefürchteten und oft auch
bewunderten Kriegerstaat."
[Spuren in der Zeit 2, Seite 40]
Ebenso sachlich, aber ausführlicher informiert das Buch "Altertum"
für die Oberstufe.
Über die Stellung der Frau in Sparta findet sich wenig in den
Büchern, die ich durchgesehen habe. Nur das Jugendsachbuch "Was
ist Was - Die alten Griechen" erwähnt kurz die Mädchen.
"Die Mädchen trieben Leibesübungen wie die Jungen; als
erwachsene Frauen hatten sie allerdings mehr Zeit für
persönliche Dinge als die Männer. Auch ihnen galt Leben und
Sterben für Sparta als höchstes Ziel. Kehre mit ihm oder auf
ihm zurück, soll einst eine spartanische Mutter ihrem Sohn gesagt
haben, als sie ihm vor einem Feldzug den Schild übergab. Ohne
Schild heimzukehren galt als ehrlos..."
Mein Reiseführer erwähnt einig Dinge, die mit dem
gängigen Sparta-Bild kaum vereinbar sind.
"... ,daß zum Beispiel junge Spartiatinnen in fast nacktem
Zustand im Artemistempel Fruhtbarkeitstänze aufführten.
Nacktheit war überhaupt für die Spartiaten beiderlei
Geschlechts ein Zeichen der Freiheit, auch der sexuellen. So war der
voreheliche Verkehr eines Mädchens für die bürgerliche
Gesellschaft des 19. Jahrhunderts wie auch für die des antiken
Athen ein absolutes Tabu, in Sparta hingegen die Regel. Deshalb wurden
Ehen hier in einem viel späteren Alter geschlossen als im
übrigen Griechenland."
[Reiseführer, Seite 325]
Ein anderes Sparta-Bild - gezeichnet von Ernest Bornemann
Kaum ein griechischer Stadtstaat hat weniger über seine eigene
Geschichte berichtet als Sparta. Fast alle Berichte stammten aus Athen
-Spartas Gegner. Daher scheinen einige Berichte ziemlich
fragwürdig. Zwar haben jüngere Archäologen und
Spartaforscher beachtliche neue Informationen über die Geschichte
der Spartaner erbracht, aber fast nichts davon ist an die
Öffentlichkeit gedrungen.
In ihrer Mythologie erwähnen die Griechen vier Stämme, die um
1150 vor Christus Hellas besiedelt (erobert) hätten: die
Achäer, die Ionier, die Äoler und die Dorier. Aus keinem
Bericht geht hervor, wie der Einmarsch dieser kriegerischen
Wanderhirten auf die Ureinwohner der Balkanhalbinsel mit ihrem
vertrauensvollen, jeglichem Verdacht der Überrumpelung fernen
Tradition gewirkt haben muß. (Siehe auch Columbus und Co. in
Mittel- und Südamerika!)
Die Frauen der Ureinwohner waren für die Griechen doppelt
verachtenswert: Erstens, weil sie zum Volksstamm der Unterlegenen
gehörten, die sich, wenn man sie angriff, nicht einmal wehrten,
und zweitens, weil sie, wie das bei Eroberungen so üblich ist, nur
zur hastigen Befriedigung herhalten mußten. Daher resultierte
auch die traumatische Unfähigkeit der damaligen Griechen, die Frau
als ebenbürtiges Wesen zu betrachten. Eine eigentümliche
Mischung von Hörigkeit und Verachtung prägte das
Geschlechtsleben der Achäer, Ionier und Äoler.
Die Dorer waren die einzigen, die ihre Frauen mitbrachten, deshalb
gehörten die dorischen Siedlungen, darunter auch Sparta, zu jenen,
die ihre Frauen wie ihre Männer behandelten - nämlich als
Bürger.
Der Autor verwendet zwei Begriffe: Mutterrecht - für die Spartaner
und Vaterrecht - für die Athener.
Da Sparta arm war und im ständigen Konflikt mit den unterworfenen
Ureinwohnern lag, galt das Schwergewicht der Erziehung den Knaben, den
werdenden Kriegern. Vom 6. bis zum 19. Lebensjahr mußten sie in
die militärischen Ausbildungslager. Alles, was der Knabe auch nach
seiner Ausbildungszeit tat, wurde sowohl im guten als auch im
schlechten Sinne seinem Lehrer zugeschrieben. Der Lehrer war nicht nur
dafür verantwortlich, daß sein Schüler sich Wissen
aneignete, sondern auch für dessen Benehmen und vor allem für
seine Tapferkeit. Weiters mußte der Lehrer jene Handlungen - wie
zum Beispiel jede Lüge oder jede Ehrlosigkeit - vermeiden, deren
er sich vor seinem Schüler zu schämen hätte.
Die didaktische Logik der Spartiaten lenkte ihr Augenmerk also auf den
Lernenden, nicht auf den Lehrenden. In Athen war das umgekehrt.
Wahrscheinlich haben die Spartiaten diese Logik von der Dichterin und
Erzieherin Sappho, die einen kultischen Frauenbund, der der
Mädchenbildung diente, leitete, übernommen. Das Sparta trotz
seiner Armut überhaupt eine systematische Mädchenerziehung
betrieb, ist zweifellos der mutterrechtlichen Tradition und der hohen
Stellung der Frau zuzuschreiben. Die Mädchenerziehung lief darauf
hinaus, die Körperkräfte der Frauen zu entwickeln, damit sie
gesunde, starke Kinder zur Welt bringen können. Bis zum Ende des
6. Lebensjahrs wuchsen Mädchen und Knaben gemeinsam auf und
erhielten im Elternhaus die gleiche Ausbildung. Ab dem 7. Lebensjahr
gingen sie in separate Schulen, wurden aber danach noch oft in
sportlichen Wettbewerben einander gegenübergestellt. Es war
durchaus nicht selten, und galt für den Knaben auch nicht als
Schande, daß ein Mädchen gewann. Selbst Ringkämpfe
zwischen Mädchen und Knaben gehörten zur Norm der
spartanischen Erziehung, die auch in diesem Sinne keineswegs
"spartanisch" war. In den Ausbildungslagern wurde außer
Leibesübungen auch Tanz, Musik und Gesang gelehrt. Der Unterricht
im Schreiben und Lesen wurde bei den spartanischen Kindern allerdings
auf ein Minimum beschränkt.
Die Athener haben die Spartaner stets als gutmütige Athleten, die
von den höheren Dingen des Lebens nichts verstanden, hingestellt.
Daß dem nicht so war, beweist die Tatsache, das
schöpferische Tätigkeiten musischer Art bei den Spartanern
weiter verbreitet war als bei den Athenern, die sich in
Kunstproduzenten und Kunstkonsumenten aufspalteten, wobei die zweite
Gruppe mehr und mehr überhand nahm. In Sparta dagegen sang und
tanzte fast jeder. Die Spartiaten ließen jedoch keine
Einrichtungen zu, an denen nicht jeder teilhaben konnte, deshalb gab es
auch keine Prunkarchitektur.
Bis zum Alter von sieben Jahren gingen Mädchen und Knaben meist
nackt. Beim Zug in den Artemistempel führten die jungen
Spartanerinnen sogar im fast nacktem Zustand Tänze auf, die den
Boden fruchtbar machen sollten. Die anderen Griechen hielten das
für unsittlich, nicht etwa, wie die Altertumsforscher des 19.
Jahrhunderts glaubten, weil die Griechen Nacktheit an und für sich
für unsittlich hielten, sondern weil männerrechtliche
Griechenstämme die Frau als Eigentum des Mannes betrachteten und
es als Privileg des Herrschers empfanden, sie nackt zu sehen.
Tatsächlich war die Demonstration von Nacktheit bei den
Spartanerinnen Ausdruck ihrer Gleichberechtigung. Da sie frei waren
durften sie mit jedem verkehren, der "würdig" war. Das
heißt, mit jedem Mann, der Tapferkeit bewiesen hatte, egal ob
Spartaner oder nicht. Der voreheliche Verkehr war in Sparta durchaus
die Norm im Gegensatz zu Athen, wo dies verboten war. Deshalb
heirateten die spartanischen Mädchen oft erst mit dem 24.
Lebensjahr, viel später als die übrigen Griechinnen, die
schon mit 12 oder 14 Jahren verheiratet wurden. Dadurch, daß die
Spartaner eine längere Jugend verbrachten und auch mehr sexuelle
Erfahrungen in die Ehe mitbrachten, versprach man sich zufriedene
Bürger und bessere Ehen als im restlichen Griechenland. Uneheliche
Kinder spartanischer Mütter wurden übrigens den ehelichen
Kindern gleichgestellt. Wichtig war allein, daß es gesunden
Nachwuchs gab und die Mutter eine Spartanerin war. Das Kind galt selbst
dann als Spartiat, wenn der Vater Sklave oder Nichtspartaner war. Als
Nichtspartiat galt jedes Kind einer Nichtspartanerin, selbst wenn der
Vater König von Sparta gewesen wäre. Der Hochzeit ging oft
ein öffentlicher Ringkampf voraus, der einerseits die
Gleichberechtigung demonstrieren und andererseits der gegenseitigen
Aufreizung dienen sollte, damit die Hochzeitsnacht befriedigend
verlaufe. War der Mann zeugungsunfähig, so hatte die Frau nicht
nur das Recht, sondern auch die Pflicht, einen "Zeugungshelfer" zu
suchen. Meist schlug der Ehemann für diesen Zweck einen besonders
geschätzten Freund vor. Umgekehrt hatte aber auch jeder Spartiat
das Recht, an einen Freund heranzutreten und diesen um Zugang zu seiner
Frau zu bitten:
"So durfte ein rechtschaffener Mann und Vater wohlgeratener Kinder,
sobald er an der Ehefrau eines anderen Mannes großen Gefallen
fand, sich von diesem die Erlaubnis des geschlechtlichen Verkehrs
erbitten, um gleichsam auf einem fruchtbaren Acker eine Pflanzung
anzulegen und tapfere Knaben zu zeugen ..." [Plutarch, Lykurg XV 11-15]
Poliandrie, die Ehe einer Frau mit mehreren Männern, war zwar
keine Norm , war aber erlaubt. Polygynie dagegen, die Ehe eines Mannes
mit mehreren Frauen war unbekannt und hätte auch gegen das
mutterrechtliche Prinzip der Erbfolge verstoßen. Wie die Ehe vor
dem 30. war die Ehelosigkeit nach dem 35. Lebensjahr in Sparta
verpönt, denn die Ehe war kein Privatakt, sondern Staatspflicht.
Alte Junggesellen mußten kennzeichnende Kleidung tragen, wurden
in der Öffentlichkeit verspottet und durften an bestimmten Tagen
von verheirateten Frauen geohrfeigt werden. Im gegensatz zu Athen, wo
die Ehefrau ihren Mann mit "Herr" anreden mußte, nannte der
dorische Ehemann seine Frau "Herrin". Im Gegensatz zu Athen, wo die
Frau keinen Rechtsstatus besaß, war die Spartanerin Rechtsobjekt
und Rechtssubjekt und prozeß und eidesfähig. Vom Alter der
Mündigkeit an verwalteten sie ihr eigenes Sippenvermögen.
Grund und Boden lag in den Händen der Sippen, und da diese
mutterrechtlich organisiert waren, in den Händen der Frauen.
Über sogenanntes "bewegliches Privateigentum", in Sparta eher
unüblich, hatten Männer und Frauen identische Rechte und
Erbrechte.
Das Mutterrecht der Spartiaten unterschied sich vom Vaterrecht nicht
etwa dadurch, daß beim einen der "Vater" und beim anderen die
"Mutter" das Rechtssystem bestimmten, sondern durch eine
grundsätzliche Absage des sexuellen Vorrechts. Dies gab beiden
Geschlechtern in Sparta eine Reife, die wir bei den Athenern vermissen.
Die mutterrechtliche Gesellschaft gab ihren Söhnen ein
großes Maß an Sicherheit, da sie nun frei waren von der
Zwangsvorstellung, ihre Männlichkeit Tag und Nacht unter Beweis
stellen zu müssen.
Das vaterrechtliche Athen war unerhört reizbar und reagierte
geradezu neurotisch, wenn irgend jemand seine "Männlichkeit" in
Frage stellte. Sparta dagegen kämpfte, wenn es angegriffen wurde,
aber griff niemals selbst an.
Trotz der Andersartigkeit war Sparta kein Paradies. Das lag an der
Rückständigkeit der Produktionsmittel, an der Verachtung der
Arbeit, an der Unterdrückung der Heloten und an der
Unfähigkeit, sich sozialen Wandel vorzustellen. Das Dilemma einer
solchen Gesellschaft, hervorgerufen durch einen sozialen und
politischen Konservativismus, gepaart mit einer sexuellen
Freizügigkeit, verwirrte ihre Nachbarn und selbst noch die
Historiker Jahrtausende später.
An Sparta scheiden sich also bis heute die Geister. Das einzige dem
Verfasser bekannte Buch, das sich mit der Rezeption Spartas im
Mittelalter und der Neuzeit befaßt (Elizabeth Rawson: The Spartan
Tradition in European Thought. Oxford: Clarendon Press, 1970), meint,
daß die ersten Hinweise auf die moderne Auslegung der Worte
"spartanisch" und "lakonisch" im 17. Jahrhundert zu finden seien, ihre
heutige Bedeutung aber erst im Zeitalter der Pädagogik, also im
18. bis 19. Jahrhundert gewonnen hätten: Der Feudalismus war nach
Meinung des Bürgertums verschwenderisch, schönrednerisch,
unpünktlich, faul und genußsüchtig. Das Bürgertum,
die neue Klasse des Mittelalters, strebte neue Tugenden an:
Sparsamkeit, Schlichtheit, Zurückhaltung, Pünktlichkeit,
Fleiß und Enthaltsamkeit. Da die ersten Ideologen des
Bürgertums nicht wußten, daß die Spartaner keineswegs
fleißig waren, bildeten sie sich ein, in den Spartiaten
klassische Vorbilder ihrer Suche nach Fleiß, Sparsamkeit,
Mäßigung und Keuschheit gefunden zu haben. So wurden die
Vokabeln "spartanisch" und "lakonisch" zu bürgerlichen Parolen im
Kampf gegen den Adel. Im deutschen Sprachgebrauch finden wir sie
besonders häufig bei einer einschränkenden Kindererziehung.
Die neuzeitliche Verwendung dieser Begriffe hat also recht wenig mit
ihrer ursprünglichen Bedeutung zu tun. Das düstere Bild
Spartas, das Herodot, Thukydides, Aristoteles und Plutarch gezeichnet
haben, stimmt nicht mit den Befunden heutiger Forschung überein.
Bornemann meint, daß beide Bilder nichts mit dem wahren Sparta zu
tun haben, sondern alle Vorstellungen über Sparta nur Projektionen
von unseren gegenwärtigen Tugenden und Untugenden auf eine
völlig anders geartete Gesellschaftsordnung sind, wie
überhaupt sich eine antike athenische Demokratie oder spartanische
Militärdiktatur nicht mit Demokratien und Diktaturen von heute
vergleichen lassen. (Was aber fast alle Unterstufenlehrbücher tun!)
© 1992 / 2005 Armin P. Pressler